Aktives Gedenken

Am 17. März 2005 gründete sich in Dietzenbach der “Arbeitskreis Aktives Gedenken in Dietzenbach”. Dieser Arbeitskreis widmet sich seither einerseits der Aufarbeitung der Wissenslücken über die Opfer der NS-Gewaltherrschaft in Dietzenbach sowie der Pflege der Gedenkkultur.

Ein erstes Projekt war die Verlegung von Stolpersteinen des Künstlers Gunter Demnig im Februar 2006, angebracht vor den Häusern der Dietzenbacher NS-Opfer. Es folgten weitere im Februar 2014 und Oktober 2016. Jahr für Jahr werden am 09. November – der Reichsprogromnacht – die Stolpersteine von den Aktiven des Arbeitskreises geputzt und an die Menschen, für die sie stehen, erinnert. Im Anschluss an den Stadtrundgang findet regelmäßig eine Gedenkveranstaltung statt.

Liste der Dietzenbacher Stolpersteine auf Wikipedia

Die Offenbach Post vom 29.03.16 berichtet über die Verlegung der Stolpersteine:

Mitglieder des Arbeitskreises „Aktives Gedenken“ erinnern an der Bahnhofstraße an die nationalsozialistischen Ausschreitungen gegen die jüdische Familie Wolf im Jahr 1937.© scho

Dietzenbach – Es muss schrecklich gewesen sein, am Samstagabend, 27. März im Jahr 1937. In der Bahnhofstraße war die Familie von Hermann Wolf, dem Vorsteher der damaligen jüdischen Gemeinde zusammengekommen, um den Beginn des Pessach-Festes zu feiern. Doch der Tag sollte schlimm enden. Die Schergen des nationalsozialistischen Bürgermeisters Heinrich Fickel randalierten aufs Übelste vor dem Haus der Wolfs. Von Barbara Scholze

Zu einer Gedenkaktion an diesen Judenpogrom hatte der Arbeitskreis „Aktives Gedenken“ eingeladen. Vor allem Mitglied Horst Schäfer hat in den vergangenen Jahren mit hohem Engagement die NS-Zeit in Dietzenbach recherchiert und dafür unzählige Staats- und Kommunalarchive besucht. Anlässlich der Zusammenkunft vor dem Haus, in dem Hermann Wolf, von Beruf Viehhändler, mit seinen Liebsten wohnte, erzählte er anschaulich über die grausamen Geschehnisse. „Emma Wolf, die Frau von Hermann, hat in einem späteren Entschädigungsverfahren ihre Erinnerungen niedergeschrieben“, berichtete Schäfer. Dabei habe sie festgehalten, dass ihr Mann bereits in den frühen Nazi-Jahren persönliche Verfolgung hinnehmen musste: „Man wollte uns zwingen, auf den größten Teil unserer geldlichen Außenstände zu verzichten und auch unseren Haus- und Grundbesitz für einen Schundpreis herzugeben. Der damalige Nazi-Bürgermeister belästigte meinen Mann auf Schritt und Tritt. Jeden Freitagabend, am jüdischen Schabath-Abend, kam der Bürgermeister mit der gesamten Hitlerjugend vor das Haus: Sie brüllten die schrecklichsten Hitlerlieder“, heißt es in der Niederschrift. Zum Höhepunkt der Schikanen sei es dann an besagtem Samstag gekommen. „Unser Haus wurde unter Anführung des Bürgermeisters Fickel von einer großen Nazi-Horde umstellt. Sie zertrümmerten alle Fenster und Tore und schrien: ,Heraus mit den Juden’.“ Das alarmierte „Überfallkommando“ habe Hermann Wolf und seine Söhne in Schutzhaft genommen.

Emma Wolf berichtete weiter: „Seit dieser Zeit konnte es mein Mann nicht mehr zu Hause aushalten, er hatte ständig Weinkrämpfe und war nervlich und psychisch vollkommen erledigt.“ Laut Schäfers Recherchen lässt sich in den grausamen Repressalien gegen Hermann Wolf auch eine Verbindung herstellen zu der Blockwarts-Familie Sehnert, die den Wolfs viel Geld schuldete. Bürgermeister Fickel habe die Familie schließlich gezwungen, ihr Haus zu einem Schleuderpreis abzugeben. Die Wolfs zogen nach Frankfurt, von dort aus wanderten sie nach Amerika aus. Für Hermann Wolf sollte sich die Hoffnung des Entkommens allerdings nicht erfüllen. Er starb 69-jährig am 25. November 1941 in Kuba.