Aufruf Mahnwache 12.10.19

Am 12.10.19

Aufruf zur Mahnwache im Gedenken an den Anschlag auf die jüdische Synagoge in Halle: „Wir tragen Kippa“

Aufruf zu einem Treffen am 12. Oktober 12 Uhr

der Terroranschlag von Halle hat uns hier in Dietzenbach erschüttert. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Wir dürfen weder Antisemitismus noch Rassismus in unserer Gesellschaft dulden.

Wir rufen auf, dabei zu sein, wenn wir auf dem Platz vorm Rathauseingang uns an diesem Samstag spontan versammeln zu einer Mahnwache und zeigen uns mit der Kippa, um gegen den aufkeimenden Antisemitismus zu protestieren.
Horst Schäfer wird berichten über die schlimme Zeit des Nationalsozialismus, der auch hier in Dietzenbach seine Spuren hinterlassen hat. Und wer will, macht mit gemäß unserem Aufruf:

Und gleichermaßen tragen wir am 12. Oktober wieder die KIPPA.

Wir wollen wie am 14. Mai im vorletzten Jahr dem fürchterlichen Anschlag in Halle gedenken und uns erinnern an das schon damals Gesagte:

Wenn auf deutschen Straßen Juden angepöbelt werden und ihnen vor laufender Kamera ins Gesicht gesagt wird, dass sie alle „in den Gaskammern landen“ werden, wenn in deutschen Schulfluren jüdische Mädchen mit dem Tod bedroht werden, wenn vor einem deutschen Café ein Mann, der eine Kippa trägt, mit einem Gürtel ausgepeitscht werden kann und viele dabei ungerührt zusehen, wenn in deutschen Klassenzimmern – über Monate unbemerkt – Lehrer ihren Schülern von jüdischen Weltverschwörungen erzählen können, wenn auf deutschen Friedhöfen regelmäßig jüdische Gräber mit Hakenkreuzen beschmiert werden, dann haben wir ein Problem. Wir haben in unserer deutschen Gesellschaft ein ernsthaftes Problem mit Antisemitismus.

Jeder fünfte Deutsche hat Vorurteile

Das ist nicht neu. Experten wie Monika Schwarz-Friesel warnen davor schon seit Langem. Vor einigen Jahren hat die renommierte Antisemitismusforscherin in einer Enquête-Kommission des Bundestages zum Thema Judenfeindlichkeit in Deutschland mitgearbeitet. Das Ergebnis war erschreckend. So gebe es in der deutschen Bevölkerung an die 20 Prozent Menschen mit antisemitischen Einstellungen. Schwarz-Friesel sammelt seit Jahren Droh- und Schmähbriefe, die an den Zentralrat der Juden oder andere jüdische Einrichtungen geschickt werden. Die Stapel ungefilterten Hasses auf Papier sind ein erschreckender Beleg für diesen offenbar tiefsitzenden Antisemitismus. Jeder fünfte Deutsche trägt mehr oder weniger offen Vorurteile gegenüber jüdischen Mitmenschen mit sich herum. Nur ist dies im Bewusstsein unserer Gesellschaft kaum verankert. „Ich erlebe in Deutschland eine Scheinheiligkeit, wenn es um Antisemitismus geht, die frappierend ist“, sagte Schwarz-Friesel kürzlich.

Die 20 Prozent Antisemiten – in absoluten Zahlen entspricht das 16 Millionen Menschen – sollten wir im Kopf behalten, wenn wir jetzt über neue Phänomene des Judenhasses in Deutschland sprechen. Natürlich schwappte mit den hunderttausenden Flüchtlingen aus dem Nahen Osten auch ein neuer Antisemitismus in unser Land. Es wäre doch völlig weltfremd, dies leugnen zu wollen. In der Region, aus der die Flüchtenden zu uns kommen, befinden sich zig Staaten seit Jahrzehnten mit Israel in einem mal kälteren, mal heißeren Kriegszustand. Dass dort antisemitische Einstellungen wuchern, liegt auf der Hand. Und dass wir diesen Antisemitismus unter Flüchtlingen in unserem Land genauso wenig dulden dürfen wie den Antisemitismus unter den alteingesessenen Deutschen, liegt für mich genauso auf der Hand.

Neonazis unter dem Deckmäntelchen des Anti-Antisemitismus

Allerdings muss uns eines auch bewusst sein: Aktuell erleben wir, wie gewisse politische Kreise ganz bewusst die Problematik des Judenhasses in unserer Gesellschaft auf die geflüchteten (muslimischen) Flüchtlinge fokussieren wollen. Diese leicht zu durchschauende Strategie dürfen wir den rechten Hetzern nicht durchgehen lassen. Unter dem Deckmäntelchen des vermeintlichen Anti-Antisemitismus verstecken sich heute zahlreiche Reaktionäre und Neonazis, die sich angeblich auf eine christlich-jüdische Tradition unseres Landes berufen, in Wahrheit aber nur einen Vorwand suchen, um ihre Ablehnung gegenüber Muslimen gesellschaftsfähig zu kleiden. Wenn sich die AfD jetzt als großer Beschützer der jüdischen Mitbürger aufspielt, zeitgleich aber einen revisionistischen Scharfmacher wie Björn Höcke in ihren Reihen duldet, dann ist das verlogen. Wenn die Dresdner Pegida-Marschierer angeblich das christlich-jüdische Abendland verteidigen wollen, auf ihrer Demo aber nationalsozialistische Konzentrationslager verherrlicht werden, dann ist das verlogen. Es ist verlogen, heuchlerisch und gefährlich.

Wir laden alle herzlich ein, dabei zu sein!

Aktives Gedenken in Dietzenbach Zusammenleben der Kulturen in Dietzenbach Artus W. Rosenbusch und Melanie Bacher